Erfolgreich stillen
Mein eigener Stillstart war alles andere als einfach. Ich erinnere mich noch gut an wunde Brustwarzen, Unsicherheit und das ständige Grübeln: „Bekommt mein Sohn genug Milch?“ Viele frischgebackene Mütter berichten in meinen beiden Stillgruppen in Linz von ähnlichen Erfahrungen. Deshalb möchte ich dir hier die „10 Schritte zum erfolgreichen Stillen“ vorstellen. Sie basieren auf der Babyfriendly Hospitals Initiative – ein weltweites Konzept, das dich bei einem guten Stillstart unterstützen kann. Die folgenden Infos dazu stammen aus dem Artikel der beiden IBCLC Stillberaterinnen Susanne Lachmayr und Ina Mayer aus der Sommerausgabe 2025 der VSLÖ News.
Oberösterreich
Baby-friendly Hospitals
Die Baby-friendly Hospitals Initiative (BFHI) wurde 1991 von WHO und UNICEF ins Leben gerufen, um Müttern und Babys weltweit einen bestmöglichen Start zu ermöglichen. Kliniken, die dieses Gütesiegel tragen, verpflichten sich zu klaren Standards für eine stillfreundliche Betreuung – von der Schwangerschaft über die Geburt bis zur Zeit nach der Entlassung.
Weltweit gibt es über 20.000 zertifizierte Kliniken, in Österreich sind es derzeit 11. In Oberösterreich tragen das Konventhospital der Barmherzigen Brüder Linz und das Klinikum Steyr dieses Gütesiegel (Stand: Oktober 2025). Eine Geburtseinrichtung, die als „Baby-freundlich“ zertifiziert ist, erfüllt die folgenden 10 Schritte zum erfolgreichen Stillen.
1. Kodex zur Vermarktung
Muttermilchersatzprodukte
Seit 1981 gibt es einen gemeinsamen Kodex, erstellt von der WHO in Zusammenarbeit mit UNICEF (dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen), der laufend aktualisiert wird. Der Kodex soll eine sichere und angemessene Ernährung für Säuglinge und Kleinkinder gewährleisten und enthält Informationen zu Säuglingsnahrung, genaue Kennzeichnung und Qualität der Produkte sowie Vorschriften für Werbung – sowohl in der Öffentlichkeit und für Familien als auch im Gesundheitswesen.
Ergänzung: In Spitälern werden immer unterschiedliche Marken von Säuglingsnahrung verwendet, sodass im Fall einer Zufütterung die aktuell verfügbare Marke nicht unbedingt zu Hause nachgekauft werden muss.
2. Geburtenstation
Mitarbeiterschulungen
Im Rahmen der BFHI gibt es verpflichtende Basisschulungen zum Thema Stillen für alle Mitarbeitenden, die mit jungen Familien in Kontakt kommen, sowie weitere kontinuierliche Fortbildungen für das Team, das an der Patientenversorgung beteiligt ist. Diese Fortbildungen umfassen sechs Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten pro Jahr.
Mein Tipp: In den ersten Tagen nach der Geburt kann es vorkommen, dass du unterschiedliche Informationen erhältst. Suche dir schon früh in der Schwangerschaft eine Nachsorgehebamme, die dich unterstützen kann.
3. Information
Stillen & Bindungsaufbau
Eine erfolgreiche Stillbeziehung bringt viele Vorteile für Mutter und Kind mit sich. So erfolgt beispielsweise die Rückbildung schneller, und auch die langfristige Gesundheit von Mutter und Kind wird durch das gemeinsame Stillen positiv beeinflusst. Dazu zählen ein geringeres Risiko für Osteoporose, ein positiver Effekt auf das Herz-Kreislauf-System sowie ein deutlich reduziertes Risiko für Brustkrebs. Die Liste der positiven Effekte von Muttermilch und Stillen ist lang und wirkt sich auf viele Bereiche der körperlichen und emotionalen Gesundheit aus.
Mein Tipp: Stärke deine Selbstwirksamkeit und bereite dich schon während der Schwangerschaft auf das Stillen vor. Zusätzlich zur theoretischen Buchlektüre empfehle ich dir die Teilnahme an einem praktischen Stillvorbereitungskurs, zB meinem 3-stündigen Stillworkshop für werdende Eltern in Ansfelden und online.
4. Hautkontakt
Bonding nach Geburt
Der Hautkontakt (Bonding) sollte so früh wie möglich stattfinden, da er zahlreiche positive Effekte für Mutter und Kind hat. Haut-zu-Haut-Kontakt fördert die Ausschüttung des Liebeshormons Oxytocin, stärkt die Mutter-Kind-Bindung, stabilisiert die Vitalwerte des Neugeborenen und unterstützt die Rückbildung der Gebärmutter. Auch der Milchspendereflex wird durch Oxytocin ausgelöst. Im Hautkontakt ist das Baby meist aktiver und mit allen Sinnen beim Anlegen – das Kolostrum fließt dadurch oft ganz natürlich aus der Brust. Für ein erfolgreiches Stillen sollte der erste Hautkontakt ohne Unterbrechung bis zum ersten erfolgreichen Stillen erfolgen und in den folgenden Tagen regelmäßig in den Alltag integriert werden. Ein weiterer positiver Effekt: Das Stresslevel der Mutter sinkt deutlich, was sich auch auf ihre psychische Verfassung auswirkt.
Mein Tipp: Schau, dass du in den ersten Wochen gut versorgt bist. Non-stop Kuscheln ist ein Vollzeitjob. Anregungen für einfache stärkende Gerichte finden du und deine Unterstützer*innen in meinem Wochenbett-Kochkurs in Linz.
5. Korrektes Anlegen
Milchproduktion
Stillen ist eine sozial erlernte Fähigkeit, die Vorbilder und Wissensweitergabe benötigt. Jede Frau braucht dabei unterschiedlich viel Unterstützung, aber in den ersten Lebenstagen des Neugeborenen sind Zuspruch und kleine, entscheidende Hilfestellungen besonders wichtig – sie legen den Grundstein für eine erfolgreiche Stillbeziehung. Die Arbeit mit Wöchnerinnen und Neugeborenen wirkt dabei generationsübergreifend, da frühere Erfahrungen noch immer Einfluss auf frischgebackene Eltern haben. Möchten Großeltern ihre Erfahrungen weitergeben, ist heute oft zusätzlicher Aufwand nötig, um moderne Empfehlungen umzusetzen. Fachlich fundierte und qualitativ hochwertige Informationen des Betreuungspersonals sind entscheidend, um Unsicherheiten, Schwierigkeiten und Fehlinformationen zu vermeiden. So wird die von der WHO empfohlene Stilldauer von mindestens zwei Jahren überhaupt erst möglich.
Mein Tipp: Stillen soll nicht weh tun. Zögere nicht im Zweifelsfall und lass dich von einer qualifizierten Stillberaterin begleiten, zB bequem bei dir zuhause oder kostenlos im Spital, etwa in der Stillambulanz Kepler Uniklinikum Linz.
6. Gestillte Neugeborene
Nur Muttermilch
Unbestritten ist, dass Neugeborenen und voll gestillten Säuglingen kein Wasser oder Tee gegeben werden sollte. Trinkt ein Neugeborenes mindestens 8, besser 10–12 Mal innerhalb von 24 Stunden effektiv an der Brust, ist kein höherer Gewichtsverlust als 5–7 % vom Geburtsgewicht zu erwarten. Spätestens bei einem Verlust von 7 % sollte das Stillmanagement überprüft und optimiert werden, um eine weitere Abnahme zu verhindern und sicherzustellen, dass das Kind genug Muttermilch erhält und die Milchproduktion der Mutter ausreichend angeregt wird. Bei einem Gewichtsverlust von 10 % oder mehr ist eine pädiatrische Kontrolle sinnvoll. Gegebenenfalls kann eine Zufütterung mit gewonnener Muttermilch (1. Wahl) oder Formula erforderlich sein. Dabei werden die bereits eingeleiteten Maßnahmen, das aktuelle Stillmanagement und die individuelle Situation des Kindes berücksichtigt.
Mein Tipp: Solltest du auf Muttermilchersatzprodukte zurückgreifen, kannst du dich beispielsweise am Konsumententest von Ökotest orientieren
7. Rooming in 24h
Mutter & Kind zusammen
In den 1970er-Jahren war die Wiener Semmelweis-Klinik eine Vorreiterin in Sachen Rooming-in. Heute ist es glücklicherweise fast überall in Österreich Standard. Durch den kontinuierlichen Kontakt zwischen Mutter und Kind wird die bereits in der Schwangerschaft aufgebaute Bindung weiter gestärkt. In dieser intensiven ersten Zeit lernt die Mutter ihr Kind besonders gut kennen, kann die Signale des Babys deuten und beide können das Stillen uneingeschränkt üben. Nur wenn Mutter und Kind ständig zusammen sind, kann das Neugeborene in der für den Milchaufbau nötigen Frequenz und nach seinem individuellen Bedarf gestillt werden. Die früher übliche Betreuung des Kindes im Säuglingszimmer zwischen festen Fütterungszeiten wirkte sich hingegen sehr negativ auf einen erfolgreichen Stillbeginn aus.
8. Mütter unterstützen
Signale beachten
Nicht jedes Stillbedürfnis des Babys bedeutet Hunger. Auch Nähe, Unwohlsein, Müdigkeit oder andere Bedürfnisse lassen sich häufig durch Stillen stillen. An der Brust werden dabei oft mehrere Bedürfnisse gleichzeitig erfüllt. Zu den ersten Stillzeichen, bei deren Beobachtung das Anlegen optimalerweise zeitnah erfolgen sollte, zählen das Herausstrecken der Zunge, suchende Kopfbewegungen, das Führen der Hand zum Mund und beginnende Unruhe. Wenn diese Signale nicht beachtet werden, wird das Kind energischer, ehe es schließlich zu weinen beginnt. Weinen gilt als spätes Stillzeichen. In diesem Fall ist es meist notwendig, das Kind zuerst zu beruhigen, bevor es angelegt werden kann.
9. Eltern beraten
Flaschen & Schnuller
Die WHO empfiehlt, bis zur Einführung der Beikost ausschließlich zu stillen. Viele Kinder erhalten jedoch schon in den ersten Monaten eine Zufütterung, daher ist die richtige Information über bedürfnisorientiertes Füttern in diesen Fällen besonders wichtig.
Allgemeine Informationen zur bedürfnisorientierten Flaschengabe:
Der Flaschensauger sollte möglichst weich und symmetrisch sein und eine breite Lippenauflagefläche haben.
Es sollte ein Sauger in der kleinsten Größe verwendet werden.
Im häuslichen Bereich reicht es aus, Sauger und Flaschen im Geschirrspüler zu reinigen; ein Auskochen ist nicht nötig.
Bei Muttermilch empfehlen sich Portionsgrößen von 60–120 ml.
Mengenangaben und Frequenzen auf Verpackungen von Formula sind nicht physiologisch; kleinere, dafür häufigere Mahlzeiten sind sinnvoll.
Formula sollte immer frisch zubereitet und innerhalb von etwa 1 Stunde verwendet werden; danach muss sie verworfen werden.
Muttermilch oder Formula kann meist problemlos bei Zimmertemperatur gegeben werden; mehrfaches Aufwärmen ist nicht notwendig und hygienisch nicht zu empfehlen.
So wird bestenfalls gefüttert:
Immer in engem Hautkontakt mit Blickkontakt zum Baby, wann immer möglich.
Das Baby aufrecht halten, die Flasche möglichst waagrecht positionieren.
Den Mahlzeiten Zeit geben und auf die Signale des Babys achten, wenn es eine Pause benötigt.
Nach etwa der Hälfte der Menge eine Pause einlegen und den Arm wechseln, auf dem das Kind liegt.
Hauptsächlich sollte die Mutter selbst füttern; andere Bezugspersonen nur selten.
Anforderungen an einen Schnuller:
Geringes Gewicht (unter 10 g)
Saugteil sollte wenig Platz im Mund einnehmen, symmetrisch, flach, elliptisch, nicht abgeschrägt sein und einen schmalen Schaft haben
Möglichst weicher, beweglicher Saugteil (Latex statt Silikon)
In den ersten Tagen und Wochen sollte das Saugen an der Brust Priorität haben. Eine frühzeitige Einführung des Schnullers kann die Nahrungsaufnahme verringern, wenn das Baby statt an der Brust am Schnuller saugt. Es gilt: „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Der Schnuller sollte nicht die erste Wahl zur Beruhigung sein; Stillen, Körperkontakt oder Tragen haben immer Vorrang. Außerdem kann der Schnuller die Saugtechnik an der Brust negativ beeinflussen kann.
10. Begleitung
Stillgruppen
Auch nach einem erfolgreichen Stillstart können immer wieder neue Situationen auftreten, bei denen Rücksprache mit einer Fachperson wichtig ist. Der Austausch mit Gleichgesinnten wirkt oft beruhigend und stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Deshalb zählen Stillgruppen zu den wichtigsten Unterstützungs- und Bestärkungsangeboten für Mütter. Unter der fachlichen Leitung einer Stillberaterin können Mütter ihre Erfahrungen teilen, anderen Mut zusprechen oder einfach nur zuhören, wie andere ähnliche Situationen gemeistert haben.
Mein Tipp: Auch in Linz gibt es dieses Angebot, etwa über das Magistrat Linz mit IBCLC Stillberaterin Angela Frantal oder mit mir im zweitältesten Eltern-Kind-Zentrum Österreichs EKiZ Figuly beim Volksgarten.
Geburtskliniken in Oberösterreich
BFHI-zertifizierte Spitäler haben sich also nachweislich dazu verpflichtet, evidenzbasierte Maßnahmen zur Förderung des Stillens umzusetzen. Heißt das, dass du unbedingt in einem BFHI-zertifizierten Spital gebären musst? Nein, finde ich nicht. Auch wenn es natürlich sehr schade ist, dass einige Institutionen auf diese wertvolle Maßnahme verzichten. In meinen Hospitationen im Rahmen meiner Ausbildung zu Stillberaterin EISL konnte ich auch Fachkräfte in nicht-zertifizierten Einrichtungen begleiten, die ihre Arbeit äußerst kompetent und einfühlsam umgesetzt haben.
Entscheidend ist meiner persönlichen Meinung nach vor allem, dass du dich an deinem gewählten Geburtsort gut aufgehoben fühlst. Mehr Impulse zur Wahl des für dich passenden Geburtsorts erhältst du in meinen nächsten Posts. Verpasse nichts und melde dich gerne für meinen monatlichen Doula-Newsletter an.
Schwanger in Oberösterreich
Mein Angebot für dich
Mein Name ist Andrea Leutgöb und ich unterstütze seit 2019 Frauen und Familien bei der Geburt als Doula – hier geht es weiter zu meinem Doula-Geburtspaket für deine Klinikgeburt in OÖ.
Du hättest noch ein paar Fragen? Gerne erzähle ich dir mehr bei einem unverbindlichen Kennenlernen in Linz oder online – reservier am besten gleich einen Termin über mein Online Buchungssystem.
Du bist auch herzlich eingeladen zu meinem monatlichen Online-Infoabend – da erfährst du alles rund um meine Doula-Begleitung zur Geburt ins Spital im Großraum Linz, im Mühlviertel und in ganz Oberösterreich. Ich freue mich, dich kennenzulernen.
Weiterführende Links & Studien
Vollständiger Artikel in VSLÖ Sommerausgabe 2025
Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs Baby-friendly hospitals
Nuraini F. und Pandu R. 2021 Impact of Baby-Friendly Hospital Initiative for Improving Exclusive Breastfeeding: A Systemic Review of Ten Steps to Successful Breastfeeding
Fan et al. 2025 Impact of baby-friendly hospital initiatives on breastfeeding outcomes: Systematic review and meta-analysis